Stolpersteinverlegungen

Stolpersteinverlegungen

Die Stolpersteinverlegungen der Jahre 2016 bis 2022 in chronologischer Reihenfolge:


Stolpersteinverlegung 2016

Fotos: Nina Skripietz Fotografie  (Fotos in der Abfolge der Stolpersteinverlegungen  am 14.09.2016) 

Ende des Jahres 2014 konstituierte sich in Absprachen mit dem Magistrat der Stadt, mit der Ev. Kirchgemeinde und mit der Kath. Kirchengemeinde die Arbeitsgemeinschaft "Erinnerungskultur Zierenberg".  In den folgenden Monaten recherchierten die Mitglieder der AG die Lebensgeschichten  der ehemals jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Flucht, Deportation und Ermordung aus unserer Gesellschaft verschwanden. Zur Erinnerung an sie sollten "Stolpersteine" vor ihrer letzten Wohnung in den Bürgersteigen verlegt werden.

Am Mittwoch, dem 14. September 2016 konnten  durch den Künstler Gunter Demnig, der im Jahr 1990 die Aktion "Stolpersteine" ins Leben gerufen hatte,  mit Hilfe des Bauhofs der Stadt Zierenberg  insgesamt 22 Stolpersteine verlegt werden. Auf  den montierten Messingplatten der Steine sind die Namen und kurze Angaben über das Schicksal der jüdischen Menschen eingraviert.

Eröffnet und beendet wurde die Aktion am Marktplatz.  Pfr. i .R. Wilfried Wicke, Sprecher der AG Erinnerungskultur Zierenberg,  Bürgermeister Stefan Denn, Pfarrerin Dorothee Rahn und die Kirchenvorsteherin Christine Meurer begrüßten  circa 100 Menschen aus Nah und Fern, darunter Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Körperschaften, der Schulen,  der liberalen jüdischen Gemeinde Nordhessen „Emet weSchalom“ (Felsberg), des Vereins „Rückblende - Gegen das Vergessen“ (Volkmarsen) und der Geldinstitute. Besonders  begrüßten sie Herrn Gunter Demnig und den jüdischen Künstler und Sänger Herrn Dany Bober aus Wiesbaden, der mit Psalmgesängen und Liedern der jüdischen Tradition die Verlegung musikalisch musikalisch eindrucksvoll begleitete.

Die bewegendsten und berührendsten Augenblicke während der fast dreistündigen Aktion  bildeten vor allem die Begegnungen mit den Angehörigen der Familie Kaiser. Frau Ilana Tzur, für die auch ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Elternhaus in der Burgstraße verlegt wurde,  war mit ihrem Sohn Shlomo aus Israel angereist und mit ihnen ihre Enkelin Shahar Padden aus London und Angehörige der Familie Kaiser aus Berlin.  Die Enkelin hat eine beeindruckende Rede gehalten.

 Auszüge aus der Rede

"Es ist für mich eine große Ehre, heute hier neben meiner tapferen Großmutter in ihrer Heimatstadt zu stehen, wo sie ein glückliches Leben mit ihrer geliebten Familie, Mutter, Vater und Bruder bis zur Reichsprogromnacht im November 1938 führte. Meine Großmutter war noch ein Kind, als sie gezwungen wurde, ihr Heim zu verlassen ...

Sie war ein kleines Mädchen, die ihrem Vater Lebewohl sagen musste, weil er von seiner Familie getrennt und nach Auschwitz geschickt wurde, von wo er nicht mehr zurückkehrte. In den darauffolgenden furchtbaren Jahren wurde sie vom Ghetto ins Konzentrationslager deportiert, wo sie mit ansehen musste, wie ihre Mutter vor ihren Augen eine tödliche Injektion bekam, ohne Zeit zu haben, um sie zu trauern, da sie die harte Arbeit ihres Arbeitstages fortsetzen musste ...

Ich bin stolz auf dich, Großmutter, dass du heute hier in der Stadt stehst, die du als deine Heimat in deinem Herzen so lieb gewonnen hattest, umgeben von einer liebevollen Familie, der du gedenkst und so einen Beitrag zur  Erinnerung an Berta, Siegfried und Rudi Kaiser leistest.  Ich verspreche dir, liebste Großmutter, dafür zu sorgen, dass die Geschichte deines Mutes, deiner Tapferkeit und deines Vergebens immer in Erinnerung bleibt und als Inspiration dient für diejenigen, die das gesegnete Glück haben, dich ...zu kennen."

(Aus dem Englischen übersetzt von Claus Juch)

Die Stolpersteinaktionen und ihre Finanzierung

Die Gesamtkosten für die Aktion 2016 in Höhe von circa 3950,00 Euro konnten dankenswerterweise durch Spenden und durch Sponsoring finanziert werden. Die Reaktion der Zierenberger Bevölkerung auf die Feier ermuntert die AG Erinnerungskultur,  mit dem bisher gezeigten Engagement eine weitere Verlegung von Stolpersteinen im Jahr 2017 vorzubereiten und durchzuführen. An den Recherchen beteiligt sich erfreulicherweise eine Schulklasse der Elisabeth-Selbert-Schule Zierenberg.  Auch diese Aktion soll wieder über Spenden finanziert werden.

Die Mitglieder der AG Erinnerungskultur 2016

Bürgermeister Stefan Denn, Hermann Giesendorf, Hans Peter Klein - Melsungen, Martina Kolle, Pfarrerin Dorothee Rahn, Gabriele Spitzinger, Anette Völkel, Petra Wenderoth, Wilfried Wicke, Heidrun Zeuner

Worte zum Geleit

Für uns in Zierenberg sollen heute Stolpersteine die Namen der Menschen zurückbringen, für die einmal auch unsere Stadt Heimat gewesen ist.

(Pfarrer.i.R. Wilfried Wicke)

Ab heute soll das erinnernde Gedenken an ehemals jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger auch sichtbar Gestalt in unserer Stadt gewinnen. 

(Bürgermeister Stefan Denn)

Mögen uns die Stolpersteine helfen,  den Opfern zumindest durch den Erhalt ihrer Namen an ihrem früheren Wohnort „ins Gesicht zu schauen".

(Pfarrerin Dorothee Rahn).


Stolpersteinverlegung 2017

Fotos: Nina Skripietz Fotografie, Stadtverwaltung Zierenberg (Fotos in der Abfolge der Stolpersteinverlegungen am 31.08.2017) 


In Absprache mit der Stadt Zierenberg, der katholischen und  der evangelischen Kirchengemeinden fand am  31. August 2017 eine 2. Aktion statt. Gunter Demnig verlegte mit Unterstützung des Bauhofs 12 Stolpersteine in den Bürgersteigen vor den Häusern Poststraße 34, Poststraße 16, Kasseler Straße 22 und Lange Straße 36. Auch diese Steine tragen die Namen von ehemals jüdischen Mitbürgern, die Opfer nationalsozialistischer Gewaltausübung und Verbrechen geworden sind und für die einmal unsere Stadt Zierenberg Heimat gewesen ist.

Die diesjährige Verlegung hatte einen besonderen Charakter. Einmal wurde durch die Mitwirkung von Mandatsträgern der Stadt, der Pfarrer der beiden Kirchengemeinden und von Schülerinnen und Schülern der Elisabeth-Selbert-Schule  die öffentliche Verantwortung der Stadt hervorgehoben. Zum anderen wurde diese Aktion mit "Worten für den Weg" wie  ein Pilgerweg  des Gedenkens und Erinnerns gestaltet. Er wurde umrahmt  mit Musik jüdischer Komponisten (Anne Petrossow und Renate Walprecht) und Gesängen aus Israel (Schulband der ESS). Ein Posaunensignal (Frank Sturm) eröffnete die jeweilige Verlegung.

Circa 100 Jugendliche und Erwachsene hatten sich eingefunden. Eröffnet wurde die Aktion am Kirchplatz. Nach der Begrüßung aller Anwesenden  und  der Mitwirkenden durch Wilfried Wicke (Sprecher der AG Erinnerungskultur)  betonte der 1. Stadtrat Helmut von Zech im Rückblick auf den Terror und die Gewalt der national-sozialistischen Diktatur:  " Die Stolpersteine bieten eine Gelegenheit, sich im Alltag mit der Vergangenheit auseinander zu setzen.... Aber auch berühren zu lassen – mit dem Blick in die Zukunft!"  Pfarrer Friedemann Rahn unterstrich in seinem Grußwort diesen Gedanken: "Ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft, ohne Gedächtnis verlieren wir unsere Identität".

Vor den vier Häusern nannten Stadtverordnetenvorsteher Rüdiger Germeroth und der Ortsvereinsvorsitzende Jürgen Noll jeweils die Namen der ehemals jüdischen Mitbürger, für die Steine verlegt wurden. Sie beteiligten sich auch neben Heidi Zeuner, Anette Völkel und Dunja Brede (Mitglieder der AG) am Verlesen der "Worte für den Weg".

Zum Abschluss der Stolpersteinverlegung gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Ort der ehemaligen Synagoge, an deren Zerstörung am 08.11.1938 eine Tafel erinnert.  Pfarrer Marek Prus  sagte im Rückblick auf den   gemeinsam gegangenen Weg des Gedenkens und des Erinnerns: "Die Erinnerung ist gleichzeitig Aufbruch auf dem Weg des Friedens. Und nehmen wir möglichst viele Menschen mit auf diesem Weg."

Wilfried Wicke dankte als Sprecher der AG Erinnerungskultur allen Mitwirkenden für ihr engagiertes Mittun und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die vorzügliche Organisation. Mit dem Hinweis auf einen Eintrag Dietrich Bonhoeffers am 09.11.1938  in seiner Bibel (Psalm 74, Vers 9) schloss er mit den Worten:  "Es ist wichtig, dass wir heute unseren gemeinsamen Weg durch Zierenberg auch verstehen als ein Zeichen der Hoffnung, dass niemand mehr sagen muss: '...und keiner ist bei uns...' ."

"Worte für den Weg" (Auszüge):

"Nur aus dem Leiden am Versagen kann der glaubhafte Vorsatz kommen, es nicht wieder zu tun.“ (Dr. Jaacov Ben Chanan)

"Des Todesschatten Abgrund überwunden" (Walter Sharman nach Psalm 23,4)

"Ihnen allen errichte ich...in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen... ."
(Jesaja 56,5)

"Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht spüre. Ich glaube an Gott, auch wenn ich ihn nicht sehe." (Inschrift im Warschauer Ghetto)

"Das Geheimnis der Erlösung ist die Erinnerung. " (Talmud)

"Juden und Christen glauben doch an einen Gott, sie haben gemeinsam die Zehn Gebote, die Verbindung vom Alten Testament zum Neuen Testament,  die Psalmen, und Jesus ist doch auch ein Jude gewesen." (Levy Lion Möllerich)

Die Mitglieder der AG Erinnerungskultur 2017

Bürgermeister Stefan Denn, Hermann Giesendorf, Hans Peter Klein - Melsungen, Martina Kolle, Pfarrer Friedemann Rahn, Gabriele Spitzinger, Anette Völkel, Petra Wenderoth, Wilfried Wicke, Heidrun Zeuner, Karin Neusüß und Dunja Brede.


Stolpersteinverlegung 2019

Fotos: Stadtverwaltung, Wilfried Wicke (in der Abfolge der Stolpersteinverlegungen am 06.05.2019)

Am Montag, den  6. Mai 2019 konnten zwei weitere Stolpersteinverlegungen durchgeführt werden. In Ergänzung zu den Verlegungen 2016/2107 wurden zur Erinnerung an die Familie Kaufmann in der Oberelsunger Straße 2 vier Steine und in der Lange Straße 36 zur Erinnerung an Auguste Sabine Bauer ein Stein verlegt. Die Verlegung wurde wieder von Gunter Demnig, dem Initiator der europaweiten Stolpersteinaktion in der bewährten Zusammenarbeit mit dem Zierenberger Bauhof durchgeführt. 

Die Biografien hatte Hans-Peter Klein, Melsungen erabeitet. Frank Sturm sorgte für die musikalische Ausgestaltung. Wilfried Wicke konnte als Sprecher der AG circa 25 Mitbürgerinnen und Mitbürger willkommen heißen – unter ihnen Bürgermeister Stefan Denn, Pfarrer Friedemann Rahn, den 1. Stadtrat Helmut von Zech, die Kommunalpolitikerin und Vorsitzende des Fördervereins der ESS Bärbel Mlasowsky und Horst Röhling vom Tourismusbüro Zierenberg.  

Im Frühjahr 2020 wird eine letzte Stolpersteinverlegung für die Familie Eduard Schartenberg in der Oberelsunger Straße 4 stattfinden. Damit wird auch die dann 6jährige Arbeit der AG Erinnerungskultur Zierenberg zum Abschluss kommen.


Stolpersteinverlegung 2022

Die Fotos sind in der Reihenfolge der Verlegung geordnet

(Fotos: Sascha Hoffmann, Harald Kolle, Rainer Stück)

Oberelsunger Straße 4 (Familie Schartenberg)

Mittelstraße 51 (Senni Weisbecker)

Mittelstraße 29  (Familie Meyer)

Mittelstraße 25 (Familie Katz)

Am Montag, den 13. Mai 2022 fand die vorerst letzte Stolpersteinverlegung statt. An vier Stellen wurden insgesamt 14 Stolpersteine durch Mitarbeiter des Bauhofs gekonnt und fachkundig verlegt. Circa 25 Personen hatten sich eingefunden, unter ihnen Bürgermeister Rüdiger Germeroth, Pfarrer Friedemann Rahn, Stadtverordnetenvorsteher Wilfried Appel und Ortsvorsteherin Dr. Bärbel Mlasowski. Aus Oldenburg war das jüdische Ehepaar Smadar und Yehuda Wältermann angereist. Sie wurden bei der letzten Verlegung des Tages besonders herzlich begrüßt (s.u.). Musikalisch wurden die jeweiligen Verlegungen durch Lothar Heyde mit einem Posaunensignal eröffnet und mit einem Liedvers für Posaune beendet. Mit einem Zitat aus den Reden zur Eröffnung der Stolpersteinverlegungen 2016 und 2017 (s.o.) leitete Wilfried Wicke als Sprecher der AG die Verlegung vor den jeweiligen Häusern ein.    

Die erste Verlegung dieses Tages  fand in der Oberelsunger Straße 4 statt. Zur Erinnerung an die Familie Eduard Schartenberg  wurden 5 Stolpersteine verlegt. Diese Verlegung war schon für 2020 geplant, musste aber Corona bedingt verschoben werden. Die Lebensgeschichte der Familie wurde von Gabriele Spitzinger vorgetragen.

Im Bürgersteig vor dem Haus in der Mittelstraße 51 wurde danach ein Stolperstein für Seni Weisbecker in die Reihe der 2016 zur Erinnerung an die Familie Rothschild verlegten Steine eingefügt. An ihre Lebensgeschichte erinnerte Hans-Peter Klein.   

Die dritte Verlegung des Tages fand vor dem Haus in der Mittelstraße 29 statt. Hier wurden vier Steine zum Gedenken an die Familie Meyer im Bürgersteig eingebracht. An Hand von Fotokopien schilderte Brede das Leben der Familie.  

Die letzte Verlegung des Tages fand vor dem Haus in der Mittelstraße 25 statt. Zum Gedenken an die Familie Katz, deren Biografie Hans-Peter Klein vortrug, wurden 4 Stolpersteine verlegt. Ein Stolperstein erinnert an Fredi Katz, dessen Enkelin Smadar Wältermann mit ihrem Mann am Haus ihrer Vorfahren nun besonders willkommen geheißen wurde. Über Handy hatte Frau Wältermann per Videokonferenz ihren Vater in Israel zugeschaltet, der aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Zierenberg kommen konnte. Es war eine beeindruckende Begegnung.

Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Hevenu schalom alejchem“ wurde die vorerst letzte Stolperstein-Aktion beendet.