Geflüchtete kommen nach Zierenberg
Unterkünfte für Familien, Schüler, Azubis und Paare
"Dringend an der Zeit, Bewohner zu informieren"
Oberelsungen. Spekulationen und Ängste machten sich in Oberelsungen und Zierenberg breit: Was passiert mit den beiden Altenheimen in Oberelsungen und Zierenberg? „Deshalb ist es dringend an der Zeit, Sie zu informieren“, sagte Zierenbergs Bürgermeister Rüdiger Germeroth. Früher sei es jedoch auch gar nicht möglich gewesen, weil die Verträge zwischen Landkreis und Eigentümer beider Häuser erst jetzt unterzeichnet worden seien. Um die 120 Menschen waren der Einladung zum Infoabend in der Oberelsunger Mehrzweckhalle gefolgt.
Rüdiger Germeroth ging zunächst auf die Hintergründe der Schließung beider Heime ein. Zum einen habe es Auflagen zu Betreibung der Heime gegeben, zum anderen sei aber auch der Fachkräftemangel und fehlende Einnahmen maßgeblich gewesen, weitere Betten hätten nicht belegt werden können. Die Betreiber selbst hätten sich auf den Weg gemacht, um nach einer Folgenutzung zu suchen. Soweit die Fakten zu den beiden Heimen.
Nicole Spangenberg, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste und Migration beim Landkreis Kassel, die mit weiteren Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung stand, erklärte, dass die Geflüchteten vom Bund registriert und dann nach dem Königssteiner Schlüssel (wie die einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind) verteilt werden. In Gießen ist dann die Erstaufnahme, danach werden die Menschen in ihre Unterkünfte an die Landkreise verteilt und der Landkreis Kassel verteile dann weiter. Zunächst sei die erste Station in Fuldabrück in einer Halle. Das sei aber immer nur eine Übergangslösung. Der Landkreis bringe Geflüchtete zentral oder auch dezentral unter. Kommunen hätten mit der Unterbringung nichts zu tun, ergänzte Spangenberg.
Es werde genau geschaut, wo Familien, Einzelpersonen und Paare untergebracht werden. In Zierenberg und Oberelsungen sollen jeweils 50 Geflüchtete verschiedener Nationalitäten ihr erstes festes Zuhause finden. „Hier kommen sie zum ersten Mal an und können in die Zukunft schauen“, sagte Spangenberg. In Zierenberg sei sogar die Möglichkeit gegeben, Menschen mit Beeinträchtigungen durch Krieg oder Flucht unterzubringen, weil das Heim barrierefrei sei. Kleinere Zimmer sollen durch Paare belegt werden. Aber auch Berufsschüler, die in Kassel in Ausbildung sind, sollen kleinere Zimmer beziehen. Es werde in beiden Häusern Schulungsräume geben, Büros und eine Heimleitung werde vor Ort sein. Beide Leitungen hätten in Erstaufnahmen gearbeitet und haben Erfahrungen. Sie kümmern sich um Anmeldungen, Schule, koordinieren Ehrenamtliche und reagieren auch bei Schwierigkeiten sofort. Weitere Einzelheiten erläuterte Celine Carriere vom Fachdienst Flüchtlingshilfe im „WIR-Vielfaltszentrum“ und sie warb für Unterstützung seitens der Bewohner beider Orte. „Integration ist keine Einbahnstraße“, sagte sie. In jeder Kommune gebe es einen hauptamtlichen und einen ehrenamtlichen Ansprechpartner. „Wir finden gute Lösungen, damit die Menschen gut im Ort ankommen können“, sagte Carriere.
In Zierenberg leben derzeit 100 Geflüchtete, davon 60 aus der Ukraine, 40 seien aus anderen Nationen. Die Betreuung dieser Menschen sei ehrenamtlich organisiert. Er erinnerte dabei an vergangene Zeiten und die Aufnahme von Geflüchteten im alten Hallenbad. Diese Menschen seien inzwischen „in Lohn und Brot“ gebracht und hätten eigene Wohnungen bezogen. Im alten Hallenbad sei inzwischen ein Fitnessstudio.
Der Vorteil jetzt sei, dass beide Heime Einzelzimmer mit Nasszellen und Kochnischen besäßen, wie Elena Becker, pädagogische Leiterin der Flüchtlingshilfe, erläuterte. Vor einigen Jahren seien Geflüchtete auf der Jugendburg Sensenstein oder sogar in leerstehenden Baumärkten untergebracht worden. Die Frage eines Zuhörers, wie lange sich die Geflüchteten in Zierenberg und dem Ortsteil Oberelsungen aufhalten werden, beantwortete Becker: „Im Schnitt sind das ein bis drei Jahre. Quasi für die Dauer des Asylverfahrens bis zum Einzug in eine Privatwohnung.“ Alles solle Sinn machen und auch nachhaltig sein. Los gehe es Anfang Juni, dann zögen ungefähr 45 Geflüchtete zum Teil aus Syrien, Irak und Afghanistan dort ein. Wenn die Geflüchteten in Zierenberg ankommen, seien sie bereits sechs Monate in der Erstaufnahme in Gießen und drei Monate in Fuldabrück gewesen.
Ein weiterer Gast des Infoabends wollte wissen, wie man das nun den betagten Menschen erklären könne, wo sie nun hingehen sollen. Darauf entgegnete Bürgermeister Rüdiger Germeroth, dass es die Betreiber gewesen seien, die sie entschieden hätten, den Betrieb der Heime aufzugeben. Es habe dort schon länger „gekriselt“ und Betten hätten nicht mehr belegt werden können. Weder der Landkreis noch die Kommune hätten das entschieden. Es habe auch interessierte Hotelbetreiber gegeben, die aber nicht genug geboten hätten. Ende März sei der Vertrag unterschrieben worden und die Ladungsfrist von zwei Wochen bis zum Infoabend hätten eingehalten werden müssen. So beantwortete Germeroth auch zeitgleich die Frage des Zeitpunkts der Vertragsunterzeichnung.
Eine Zwickmühle in der Unterbringung der eigenen und der geflüchteten Kinder in Kindertagesstätten sah ein weiterer Besucher des Infoabends. „Das Problem der knappen Kita-Plätze haben andere auch. Das muss in der Landespolitik ankommen“, sagte Germeroth. Es sei dringend notwendig, die ganzen Vorgaben zurückzuschrauben.
Die nächste Frage drehte sich um den Impfstandard von Geflüchteten. „Wir sind hier auf europäischem Standard. Wie ist das bei den Geflüchteten?“, wollte ein Besucher wissen. Auch hier klärten die Mitarbeiter des Landkreises umfassend auf. Denn bereits in den Erstaufnahmen erhalten Geflüchtete erste Standardimpfungen. Und angesprochen auf Konfliktpersonal ergänzte Nicole Spangenberg vom Landkreis: „Wir achten darauf und vermeiden Konfliktpotenzial. Wir haben insgesamt 52 Gemeinschaftsunterkünfte und da gab es bisher keine Probleme“, so Spangenberg. Zudem würden „Störenfriede“ direkt aus den Unterkünften genommen.
In beiden Unterkünften werden nach Aussage des Landkreises Heimleitungen eingerichtet. Eine Nachtwache oder einen Sicherheitsdienst gebe es in beiden Häusern aber nicht. Das sei aus Sicht des Landkreises auch unverhältnismäßig. Man dürfe auch keine Massenunterkünfte mit zwei völlig anderen Begebenheiten vergleichen. (mw)